Montag, 5. März 2012
Die 100 besten Filme – 26. Das Leben der Anderen
Es ist wieder einmal sehr schwierig sich dem kritischen Gefasel um diesen Film zu widersetzen, geschweige denn, es ganz zu ignorieren. Zunächst denkt man natürlich an Martina Gedecks Kritik ihre Rolle betreffend: Während die Männer des Films tief greifende und für den Zuschauer absolut eindrucksvolle Entwicklungen nehmen, wird die Frau, einem Mac Guffin gleich, in die Handlung geworfen, um buchstäblich gegenständlich zu agieren und den Herren der Schöpfung die jeweilige Katharsis zu ermöglichen. Gedeck ist dabei immer gerade das, was die Männer in der jeweiligen Situation weiterbringt, tritt aber selbst auf der Stelle und lenkt den Blick des Zuschauers dadurch immer wieder von sich weg.

Mit dieser Kritik hat die großartige Schauspielerin selbstverständlich absolut recht und zweifellos ist die Anlage ihrer Rolle der deutlichste Schwachpunkt dieses Films. Des Weiteren könnte man wiederum die Realitätstreue bemängeln: Natürlich hat keine Stasi-Mann derart einsiedlerisch gelebt, natürlich sind Abhöraktionen nicht so abgelaufen wie dargestellt und selbstverständlich ging es in der Künstlerszene der DDR anders zu. Aber wie immer wollen wir uns nicht um Realitätstreue scheren und uns stattdessen dem Film an sich zuwenden.

Dieser ist für mich das Beste an Mainstream, was Deutschland je hervorgebracht hat. Die rührselige, ungemein warm erzählte und mit einem gewissen Maß Kitsch garnierte Geschichte wird den Zuschauer, der sich auf sie einlassen kann, tief bewegen. Dabei fehlt es nicht an Theatralik und dem daraus hervorgehenden Raum für die Verwirklichung der Darsteller. Und so können wir ein ums andere Mal exzellente Schauspielerleistungen bewundern, allen voran natürlich die beiden Ulrichs, Mühe und Tukur, die in jeder gemeinsamen Szene eine absolute Freude sind. Als in vielerlei Hinsicht gegensätzliche Charaktere angelegt, ergänzen sie sich spielerisch perfekt und machen so auch die ein oder andere Länge des Films erträglich.

Dass Gedeck weit unter ihren Möglichkeiten agiert, lässt sich anhand der einleitenden Bemerkungen schon erahnen. Dass sie nicht mehr zeigen konnte, ist einfach nur schade. Sebastian Koch spielt gewohnt solide, lässt sich von den großartigen Akteuren um ihn herum aber ein ums andere Mal den Schneid abkaufen.

Solide sind auch Musik, Produktion und Regie, wenngleich nichts davon außergewöhnlich ist und vor allem die Regie aus meiner Sicht oftmals überbewertet worden ist. Dass der Film dennoch derart im Gedächtnis haften bleibt, liegt – neben dem Schauspiel - in erster Linie an der eingängigen und rührseligen Geschichte. Die Vorlage und das Drehbuch sind erste Sahne und brauchen sich neben großartigen englischsprachigen Kollegen wie Memento, Fight Club oder Pulp Fiction nicht zu verstecken.

Der Höhepunkt des schnulzigen Meisterwerks ist das Ende, an welchem der gebeutelte Schriftsteller seinem Spitzel verzeiht und ihm sein neuestes Werk widmet. Zweifellos werden wir hier ganz tief hineingestoßen in triefenden Kitsch - und doch ist es sooooo schön.

Letztlich bleibt noch anzumerken, dass auch die filmisch so großartig inszenierte Versöhnung von Opfer und Täter uns nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die historischen Hintergründe des Films auf ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte verweisen, das noch lange nicht hinlänglich aufgearbeitet ist.

... comment

 
Und vielleicht sollten wir allmählich aufhören, Guido Knopp diese Aufarbeitung zu überlassen und Menschen ranlassen, für die Geschichtsforschung auch jenseits der Frage nach einer nationalen Identität denkbar ist.
Dieser ständige Regress auf ein erlaubtes, übertriebenes oder missbrauchtes Deutschtum hemmt nämlich beinahe jegliches Erkenntnisinteresse.

... link  


... comment