Freitag, 3. Februar 2012
Die 100 besten Filme – 17. The departed
marla s, 10:32h
Ich finde ja, dass die meisten Mafia-Filme zu gut bewertet werden. „Der Pate“, „Goodfellas“ oder „Casino“ sind schon großartig, aber oft werden sie – in erster Linie von Männern – als die besten Filme aller Zeiten gehandelt. Das trifft aus meiner Sicht lediglich auf „Der Pate“ zu. Wie auch immer, wir haben es hier mir mit einem ganz eigenen Genre zu tun, in dem es in der Regel um (zunächst und für lange Zeit) italienische Einwanderer in der zweiten oder dritten Generation geht und die ihr Geld auf kriminelle Weise verdienen (müssen). Zumeist versuchen sie dann irgendwann, aus der Illegalität herauszukommen und ihr Geld sauber zu verdienen, scheitern dabei aber immer wieder an den selbst geschaffenen und – mafiatypisch – äußerst stabilen Strukturen. Werte wie familiärer Zusammenhalt, Konservativismus, tiefer Gottglaube und Bewusstsein für die eigenen kulturellen Traditionen stehen hoch im Kurs und kontrastieren im Allgemeinen mit einer ausgesprochen heftigen Gewaltbereitschaft.
„The departed“ nutzt geschickt all diese Assoziationen, welche der Zuschauer mittlerweile mit dem Genre verbindet. Immer wieder setzt es sie voraus, um sie kurz darauf und äußerst bildhaft über den Haufen zu werfen. Deshalb ist dieser Film, neben dem „Paten“, der das Genre quasi begründet hat, für mich der beste Mafiafilm. Er beendet gleichsam eine jahrzehntelange Reise durch ein Milieu, das, wenngleich es jede Menge Seitenausläufer erzeugt hat, immer wieder zu seinen Wurzeln zurückgefunden hatte. Nach „The departed“ kann man das organisierte Verbrechen nicht mehr „Pate“-mäßig verfilmen, der Film hat alle damit verbundenen Assoziationen reflektiert, zerstört und dann – auf einem äußerst fragilen Fundament – neu aufgebaut – aber anscheinend nur, um sie ebenso der Zerstörung und dem Wiederaufbau preiszugeben. „The departed“ ist ein postmodernes Meisterwerk, das die Postmoderne postmodernisiert.
Familiensinn oder Traditionsbewusstsein spielen keine Rolle mehr, es geht nur noch um das gerade laufende Projekt. Wer dabei mit wem zusammenarbeitet, ist nebensächlich und auf keinen Fall ist es von langer Dauer. Der Mafiaboss wird vom Department gejagt, ist aber gleichzeitig ein Spitzel für das FBI, das auf die nächsthöhere Ebene der (internationalen) organisierten Kriminalität abzielt. Dabei beschäftigt der Boss Spitzel im Department, welches aber auch einen Spitzel in seiner Organisation hat, die wiederum von den FBI-Spitzeln in der Organisation nicht wissen usw.
Dass dabei die Menschen auf der Strecke bleiben, erinnert sehr an David Simons Serie „The wire“, die uns auf erschreckende Weise die Übermacht der großen Organisationen demonstriert hat. „The departed“ vermittelt den Anschein, dass selbst Organisationen bei Bedarf auf der Strecke bleiben können, sofern es dem aktuellen Zweck (Projekt) dienlich ist.
Spektakulär sind dabei vor allem die Schauspielerleistungen. Di Caprio ist unglaublich, aber auch Nicholson und Wahlberg stehen ihm in nichts nach. Selbst Martin Sheen, Alec Baldwin und Matt Damon, die alle nicht gerade für überschäumendes Overacting bekannt sind, wirken ausgesprochen lebhaft und vielschichtig. Überhaupt lebt der Film von den großartigen Darstellern, die den Zuschauer komplett vergessen lassen, dass die Story vergleichsweise banal ist (was dem Film aber gut tut!). Wunderbar anzuschauen, wie Damon und Di Caprio ein ausgesprochen „männliches“ Telefonat führen, bei dem kein Wort gesprochen wird, wie Di Caprio sich der Psychologin offenbart und Nicholson immer wieder philosophisch wird, während – bildhaft gesprochen - um ihn herum das Blut zu spritzen scheint und Bomben explodieren. Matt Damon hat zu Beginn großartige Dialogszenen mit der Psychologin des Departments, die sich leider im Laufe des Films verlieren.
Überhaupt verdienen die Dialoge des Films eine gesonderte Erwähnung: Das ist ganz großes Drehbuch-Kino, der Film braucht sich diesbezüglich nicht hinter „Pulp Fiction“ zu verstecken. Die größte Szene ist für mich die Präsentation von Staff Sergeant Dignam vor den Newcomern des Departments. Auch wenn die deutsche Übersetzung hier etwas lahm ist, so ist selbst diese Fassung noch ein Hochgenuss: "Leider hat dieses Scheisshaus mehr Lecks als die irakische Marine." - "Ficken Sie sich doch selbst." - "Hab gerade erst ihre Frau gefickt." - "Wie geht's ihrer Mutter?" - "Gut, hat gerade meinen Vater gefickt."
Dies mag nicht jedermanns Geschmack sein, ich finde aber genau diese Dialoge machen den Film zu jenem, der den Mafiafilm revolutioniert und ins nächste Jahrhundert geführt hat. In ähnlicher Weise wie es „New Jack City“ in den 80er Jahren für den Schwarzen-Ghetto-Film getan hat, bringt „The departed“ eine vollkommen neue Erzählweise in das Genre: Rhythmisch abgehakt, voller Intensität und ohne Achtung für die geltenden moralische Grenzen. Insofern könnte man sagen: „The departed“ ist die Rap-Version des „Paten“, und diese Version ist großartig gelungen.
„The departed“ nutzt geschickt all diese Assoziationen, welche der Zuschauer mittlerweile mit dem Genre verbindet. Immer wieder setzt es sie voraus, um sie kurz darauf und äußerst bildhaft über den Haufen zu werfen. Deshalb ist dieser Film, neben dem „Paten“, der das Genre quasi begründet hat, für mich der beste Mafiafilm. Er beendet gleichsam eine jahrzehntelange Reise durch ein Milieu, das, wenngleich es jede Menge Seitenausläufer erzeugt hat, immer wieder zu seinen Wurzeln zurückgefunden hatte. Nach „The departed“ kann man das organisierte Verbrechen nicht mehr „Pate“-mäßig verfilmen, der Film hat alle damit verbundenen Assoziationen reflektiert, zerstört und dann – auf einem äußerst fragilen Fundament – neu aufgebaut – aber anscheinend nur, um sie ebenso der Zerstörung und dem Wiederaufbau preiszugeben. „The departed“ ist ein postmodernes Meisterwerk, das die Postmoderne postmodernisiert.
Familiensinn oder Traditionsbewusstsein spielen keine Rolle mehr, es geht nur noch um das gerade laufende Projekt. Wer dabei mit wem zusammenarbeitet, ist nebensächlich und auf keinen Fall ist es von langer Dauer. Der Mafiaboss wird vom Department gejagt, ist aber gleichzeitig ein Spitzel für das FBI, das auf die nächsthöhere Ebene der (internationalen) organisierten Kriminalität abzielt. Dabei beschäftigt der Boss Spitzel im Department, welches aber auch einen Spitzel in seiner Organisation hat, die wiederum von den FBI-Spitzeln in der Organisation nicht wissen usw.
Dass dabei die Menschen auf der Strecke bleiben, erinnert sehr an David Simons Serie „The wire“, die uns auf erschreckende Weise die Übermacht der großen Organisationen demonstriert hat. „The departed“ vermittelt den Anschein, dass selbst Organisationen bei Bedarf auf der Strecke bleiben können, sofern es dem aktuellen Zweck (Projekt) dienlich ist.
Spektakulär sind dabei vor allem die Schauspielerleistungen. Di Caprio ist unglaublich, aber auch Nicholson und Wahlberg stehen ihm in nichts nach. Selbst Martin Sheen, Alec Baldwin und Matt Damon, die alle nicht gerade für überschäumendes Overacting bekannt sind, wirken ausgesprochen lebhaft und vielschichtig. Überhaupt lebt der Film von den großartigen Darstellern, die den Zuschauer komplett vergessen lassen, dass die Story vergleichsweise banal ist (was dem Film aber gut tut!). Wunderbar anzuschauen, wie Damon und Di Caprio ein ausgesprochen „männliches“ Telefonat führen, bei dem kein Wort gesprochen wird, wie Di Caprio sich der Psychologin offenbart und Nicholson immer wieder philosophisch wird, während – bildhaft gesprochen - um ihn herum das Blut zu spritzen scheint und Bomben explodieren. Matt Damon hat zu Beginn großartige Dialogszenen mit der Psychologin des Departments, die sich leider im Laufe des Films verlieren.
Überhaupt verdienen die Dialoge des Films eine gesonderte Erwähnung: Das ist ganz großes Drehbuch-Kino, der Film braucht sich diesbezüglich nicht hinter „Pulp Fiction“ zu verstecken. Die größte Szene ist für mich die Präsentation von Staff Sergeant Dignam vor den Newcomern des Departments. Auch wenn die deutsche Übersetzung hier etwas lahm ist, so ist selbst diese Fassung noch ein Hochgenuss: "Leider hat dieses Scheisshaus mehr Lecks als die irakische Marine." - "Ficken Sie sich doch selbst." - "Hab gerade erst ihre Frau gefickt." - "Wie geht's ihrer Mutter?" - "Gut, hat gerade meinen Vater gefickt."
Dies mag nicht jedermanns Geschmack sein, ich finde aber genau diese Dialoge machen den Film zu jenem, der den Mafiafilm revolutioniert und ins nächste Jahrhundert geführt hat. In ähnlicher Weise wie es „New Jack City“ in den 80er Jahren für den Schwarzen-Ghetto-Film getan hat, bringt „The departed“ eine vollkommen neue Erzählweise in das Genre: Rhythmisch abgehakt, voller Intensität und ohne Achtung für die geltenden moralische Grenzen. Insofern könnte man sagen: „The departed“ ist die Rap-Version des „Paten“, und diese Version ist großartig gelungen.
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