Mittwoch, 18. Januar 2012
Die 100 besten Filme - 14. Die Verurteilten
Eigentlich kann man kaum etwas schreiben über diesen Film, denn alles wurde bereits gesagt oder geschrieben. Selten waren sich Kritiker und Zuschauer so einig. Zumindest heute, fast 2 Jahrzehnte nach dem Erscheinen von "Die Verurteilten", gilt der Film für nahezu Jeden, der ihn kennt, als einer der besten aller Zeiten. In der IMDB hat er "Der Pate" vom ersten Platz verdrängt und hält diese Position nun schon seit einigen Jahren, ohne dass ein Konkurrent in Aussicht wäre. Bei den Oscars wurde der Film damals kaum allerdings bedacht, wobei man sich vergegenwärtigen muss, dass es das Jahr von Forrest Gump, Der König der Löwen und Pulp Fiction war. Mit diesen Krachern als Gegner wurde der stille, eingängige und einfach nur wunderschöne Film von Frank Darabont, der sich auch gegen die Oscar-typischen Kategorisierungen sperrt, eindeutig zu wenig beachtet und reifte im Verborgenen.

Die Seele des Films ist das großartige Spiel der beiden Protagonisten Red und Andy, die sich immer wieder gegen einen übermächtigen Gegner - die lebenslange Haftstrafe - zur Wehr setzen und versuchen, an diesem aussichtslosen Kampf nicht zu zerbrechen. Wenngleich der Gefängnisdirektor und einige der Wärter sich in ihren Rollen kaum entfalten und daher im Vergleich zu den sich sehr differenziert entwickelnden Hauptrollen fast wie Karikaturen wirken, so muss man dem Film dennoch eine gewaltige Tiefe bescheinigen. Diese entsteht nicht nur aus den Hauptdarstellern, sondern auch aus der Erzählweise des Films: Wie Kapitel in einem Roman werden immer wieder kleine Episoden zusammengefasst dargestellt, während sich gleichzeitig die große Rahmenhandlung entwickeln darf, weil die Episoden diese unmerklich mitgestalten. Ein Guy Ritchie oder Quentin Tarantino hätte diese Episoden sicherlich zerschnitten und anders arrangiert, dass es Darabont nicht tut, gibt dem Film seinen unvergleichlichen Fluss und seine angenehme Atmosphäre.

Getragen wird dieser Fluss auch von der Erzählstimme von Red (Morgan Freeman), der hier in einer frühen Version des weisen alten Mannes auftritt und immer wieder kommentiert, erklärt und umrahmt. Dabei lässt er bzw. die Rolle des Red im Allgemeinen sehr viel Platz für die Entfaltung von Andy, der eine Katharsis durchmacht, die er aus Sicht des Zuschauern eigentlich gar nicht verdient hätte. Dennoch erkennen wir am Ende, dass es nur diese Perspektive war, die Andy am Leben gehalten und Shawshank durchhalten lassen hat.

Dass Andy sich am Ende selbst aus den Fängen des Bösen befreit, dabei dafür sorgt, dass die Gerechtigkeit obsiegt und zu allem Überfluss auch noch Red seine Bewährung erhält, macht den Film zu einem modernen Märchen, allerdings mit einem Happy End sondergleichen. Dies ist weniger geringschätzig gemeint, als es sich anhört, wirkt aber eben wieder einmal sehr amerikanisch. Zugute halten muss man diesem Verlauf des Films aber dennoch, dass man bis kurz vor Schluss eigentlich nicht wissen kann, ob der Film nicht doch noch zu einer Tragödie wird und dass das Märchenende großartig erzählt wird und meine - und damit gehöre ich wahrscheinlich zu einer Gruppe von Millionen - absolute Lieblingsszene des Films ist: „Ich hoffe, der Pazifik ist so blau…“

Eine weitere exzellente Szene sehen wir, als Red seine dritte und letzte Bewährungsanhörung mitmachen muss. Ein großartiger Morgan Freeman spricht einen exzellent geschriebenen Dialog mit sich selbst und spätestens hier stellt man fest, dass Andys Katharsis nicht die einzige war, die der Zuschauer sehen durfte und dass beide Hauptakteure sich wechselseitig zu dem gemacht haben, was sie am Ende des Films sind.

Übrigens kann man in "Die Verurteilten" eine der wenigen Szenen sehen, in denen ein Morgan Freeman mal von einem Kollegen übertrumpft wird. Nachdem Andy zwei Monate im "Loch" zugebracht hat und sich die beiden Freunde im Hof des Gefängnisses wieder treffen, erleben wir einen unglaublichen Tim Robbins, der im folgenden Dialog nicht nur dramaturgisch sondern auch spielerisch klar den Ton angibt. Möglicherweise war Morgan Freeman selbst angetan von Robbins Leistung, welche die gesamte Szene trägt und Freeman ausnahmsweise einmal blass aussehen lässt - was aber heißen soll, dass er dennoch super ist.

Ein Film, den man mehrmals jährlich sehen kann, der einen immer wieder zufrieden macht und der zu Recht als der beliebteste Film der Welt gelten darf.

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