Samstag, 7. Januar 2012
Die 100 besten Filme - 11. Pulp Fiction
Wahrscheinlich würde sich niemand beschweren, wenn man diesen Film auf Platz 1 ansiedelt. Was Tarantino hier gemacht hat, schrieb Filmgeschichte, wurde hundertfach kopiert (und nie erreicht), hat die Filmemacherei nachhaltig verändert und wird noch heute mit Bezeichnungen wie "krass" und "Hammer" versehen und zwar auch von Menschen, die im Jahre 1994 noch in den Windeln lagen. Doch der Reihe nach...

Im wesentlichen haben wir es mit drei Handlungssträngen zu tun: Killer Vincent Vega soll die Frau seines Chefs ausführen, was in einer Überdosis Heroin endet, die sie knapp überlebt. Vincents Killerkollege Jules erlebt im Rahmen eines Auftrags mit Vincent ein Wunder, dass ihn seinen Beruf und sein Leben hinterfragen lässt. Und schließlich wird noch die Geschichte des Boxers Butch erzählt, der einen Kampf gewinnt, den er eigentlich verlierenn sollte und der, bevor er das Land verlassen kann, noch so einiges erleben muss. Alle drei Geschichten sind auf einzigartige Weise miteinander verknüpft, weil sich die Wege der Figuren kreuzen und die meisten in zwei oder sogar allen drei Geschichten vorkommen.

Damit ist eigentlich überhaupt nichts über den Film, noch nicht einmal über die Handlung gesagt. Aber mehr kann man andererseits auch kaum darüber sagen. Also sagen wir lieber etwas über die Musik. Man spürt ganz deutlich, dass hier jemand am Werk war, der sich in der Filmgeschichte wirklich auskennt und der in Filmen auf Musik achtet. Zum damaligen Zeitpunkt war Tarantinos Musikauswahl revolutionär, mittlerweile ist natürlich auch diese mehrfach kopiert worden. Mindestens die Hälfte der Lieder aus Pulp Fiction wird für die heute unter 40jährigen auf ewig mit diesem Film verbunden sein, wenngleich die Songs auch schon in anderen Kontexten vorkamen und zumeist wesentlich älter sind als wir.

Die Schnitte und die Zusammensetzung der Szenen muss nicht gelobt werden, genausowenig das Szenenbild. Hier wurde Geschichte geschrieben. Dies gilt auch für die Dialoge, aber zu denen muss einfach noch etwas gesagt werden: Eine ganze Generation hat im Anschluss an den Film ihre Vorliebe für die kleinen Themen des Alltags entdeckt, noch ein Jahrzehnt danach fühlte man sich beim abendlichen Couchtalk und den dabei vorgetragenen endlosen Schwafeleien mancher Freunde an eine schlechte Version von Pulp Fiction erinnert. In dieser Hinsicht ist Tarantinos Meisterwerk bis heute unerreicht, man könnte Jules und Vincent auch beim zehnten Ansehen des Films stundenlang zuhören, wie sie über die Banalitäten des Alltags sinieren, während sie Leute umlegen.

Und nun zum Besten in einem der besten Filme: Mister Wolf. Wenn Kobayashi in "Die üblichen Verdächtigen" cool ist, dann ist Winston Wolf der Großmeister der Meister der Coolness. Selbst als Wolf in peinlicher Weise die Hände hebt und von der Vision einer Taxifahrt spricht, ist er megacool. Hinzu kommt, dass die 10 Minuten, in denen er auftritt, dialogisch und darstellerisch perfektes Kino sind. Nicht ein Wort kann hier ausgetauscht werden, nicht eine Geste könnte besser sein, jeder Kameraschwenk ist perfekt.

Legendär sind natürlich auch die Tanzszene von Travolta und Thurman, die Drogenkaufszene und natürlich die Bibelzitatsmonologe von Samuel L. Jackson. Eigentlich sind alle Szenen des Films in die Geschichte eingegangen und das völlig zurecht.

Von all den Versuchen, Pulp Fiction, vor allem hinsichtlich der Intensität und Realitätsnähe der Dialoge, zu kopieren, halte ich Guy Ritchies "Bube, Dame, König, GrAs" für den gelungensten. "Lammbock" hat in dieser Hinsicht einige gute Ansätze, verkommt aber zu oft zur Teeniekomödie. Tröstlich sollte für die anderen Filmemacher sein, dass auch Tarantino selbst diese Intensität nicht wieder erreicht hat (bislang).

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