Donnerstag, 5. Januar 2012
Die 100 besten Filme - 8. Collateral
Ich bin der Ansicht, dass man Filme ruhig moralisch bewerten darf und Schauspieler ebenso. Und so finde ich es ausgesprochen legitim, dass man Tom Cruise wegen seiner religiösen Einstellung für einen schlechten Menschen und in der Folge auch für einen schlechten Schauspieler hält. Wie bei Di Caprio scheint es im Bezug auf ihn Viele zu geben, die seinen Anblick einfach nicht ertragen.

Nun, mich hat all das nie interessiert. Es gibt eine Menge Filme, in denen Tom Cruise bestenfalls mittelmäßig agiert, aber in Werken wie "Magnolia" oder "Collateral" ist das anders.

Genausowenig halte ich "Heat" für einen besseren Film als "Collateral". Die beiden werden geradezu zwangsläufig miteinander verglichen, wozu der Macher beider Filme, Michael Mann, nicht unerheblich beigetragen hat. Der eine Film beginnt auf einem Flughafen, der andere endet dort. Der andere beginnt auf einem Bahnhof, der eine endet dort. Die Stars beider Filme sind vermeintliche Kriminelle, die ihr Alter Ego in einem Nichtkriminellen finden usw.

Dass "Heat" diese Vergleiche in der Regel gewinnt, finde ich nachvollziehbar, sehe es aber anders. Sicherlich sind Pacino und DeNiro in "Heat" gewohnt großartig, aber "Collateral" ist besser, für mich sogar der achtbeste Film aller Zeiten. Punkt.

Gedreht wurde er ausschließlich digital und nachts, was den Film in ein ganz eigenes Licht tauchen lässt. Immer wieder lässt der Regisseur Overhead-Aufnahmen einfließen, die das Taxi, in welchem die beiden Hauptakteure die meiste Zeit des Films verbringen, im Kontext des nächtlichen Großstadtdschungels zeigen. Hin und wieder entschwindet die Nacht für kurze Momente und wird vom schaurigen Dämmerlicht der Wohnhäuser, Clubs und Institutionen abgelöst, in denen die vermeintliche Haupthandlung abläuft.

Noch mal zum Taxi: Ganz selten durfte man ein solches Wechselspiel genießen, Max (Jamie Fox) und Vincent (Tom Cruise) machen innerhalb weniger Stunden eine gewaltige und dennoch durch und durch nachvollziehbare persönliche Entwicklung durch. Die Dialoge sind unwiderstehlich ("Sie kannten den Kerl nicht einmal?" "Darf ich die Menschen erst töten, nachdem ich sie kennen gelernt habe?") und immer wieder wechseln sich die Protagonisten in ihren Rollen als Vorlagengeber und Sprecher ab. Das alles ist exzellent gespielt und brachte unverständlicherweise lediglich Jamie Fox eine Oskarnominierung ein.

Die großartigste Szene des Films spielt sich dann im Club "Fever" ab: Hier werden alle Handlungsstränge - vorübergehend - meisterlich vermischt, alle wichtigen Akteure des Films sind für wenige Minuten im selben Raum, Vincent rettet Max das Leben und tötet neben seinem Auftrag auch noch Denjenigen, der ihm am dichtesten auf den Fersen ist.

Nicht unerwähnt bleiben darf der großartige Mini-Auftritt Javier Bardems als Felix, der eine nette Geschichte zum Besten gibt und im Dialog mit Max durch sein herausragendes Spiel verantwortlich dafür ist, dass wir an Max eine Veränderung wahrnehmen dürfen, die angesichts der bis dahin durchgestandenen Ereignisse dieser Nacht nicht nur bewundernswert und doch auch nachvollziehbar, sondern eben auch glaubhaft ist.

Zusammengefasst: Eine wunderbare Studie der Entwicklung zweier Männer, die im Tanz miteinander eine extreme Entwicklung durchmachen, Selbstzweifel und unerwartete Zuwendung erfahren und dabei beide lernen, über ihren Horizont hinauszublicken. Dass Vincent am Ende sterben muss, und das auch noch durch Max' Hand, ist vielleicht unnötig und erscheint typisch Hollywood-amerikanisch, erinnert aber auch an die griechische Tragödie und nicht zuletzt an "Heat".

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